Antrag: Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte wirksam bekämpfen und präventiv begegnen

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90 Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Das Thema Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte ist in den vergangenen Jahren zunehmend in den Fokus gerückt. Nicht allein an Silvester, sondern längst über das ganze Jahr verteilt registriert die Polizeiliche Kriminalstatistik eine Zunahme der Vorfälle. Das muss uns als Gesellschaft alarmieren und erfordert auch eine politische Reaktion. Denn es ist und bleibt inakzeptabel, dass Angehörige der Rettungsdienste, der Feuerwehren oder der Polizei zu Zielen von An- und Übergriffen werden. Diesen An- und Übergriffen vorzubeugen, das Risiko und die Auswirkungen zu begrenzen und dennoch stattfindende Straftaten zügig und konsequent zu bekämpfen, aber auch betroffene Eisatz- und Rettungskräfte zu begleiten, muss daher Ziel aller Bemühungen in diesem Bereich sein.

Das heißt aber auch, dass der Umgang mit Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte in der öffentlichen und der politischen Debatte der notwendigen Tiefe, Breite und Sachlichkeit bedarf. Daran hat es im Umfeld der Ereignisse in der Silvesternacht 2022/23 leider gemangelt. Deshalb begrüßen wir es sehr, dass seitens der Innenministerin zügig umfassende Gespräche mit den sogenannten Blaulichtorganisationen geführt wurden. Auch begrüßen wir ausdrücklich, dass die Erstellung von Lagebildern zu dem komplexen Phänomenbereich stattfindet und weiter verstärkt wird. Denn letztlich braucht es für die Bekämpfung sämtlicher Kriminalitätsphänomene zum einen eine gute Datenlage und zum anderen einen sachlich orientierten, angemessenen Zu- und Umgang zum Thema.

Statt nun aber pauschale Lösungen für alle von Gewalt betroffenen Kräfte einzufordern oder die unterschiedlichen Zusammenhänge von Gewalt aus dem Blick zu verlieren, braucht es einen komplexen Katalog an Maßnahmen auf einem breiten Wissensfundament. Leitfragen sind dabei: In welchen Zusammenhängen entsteht Gewalt? Welche Gruppen verüben Gewalt, welche Rolle spielen beispielsweise Gruppen junger Männer? Welche Rolle spielt Alkohol bei den Taten? Gibt es Gewalteskalationen in besonders ungeschützten Situationen, und falls ja, wie verlaufen diese im Vergleich zu Bedrohungen im Alltag? Wo liegen Kipppunkte hin zu Gewalt(rausch)? Welche Rolle spielen Soziale Medien? Und warum trifft es Träger staatlicher Gewalt wie die Polizei ebenso wie Freiwillige Feuerwehren oder medizinische Retter*innen in der Not?

Es braucht also neben einem umfassenden Lagebild dringend weitere wissenschaftliche Untermauerung und Begleitforschung, Vorbeugung, Risikominimierung, konsequente Strafverfolgung und Unterstützung betroffener Einsatz- und Rettungskräfte.

Ein Rechtsschutzfonds für Niedersachsens Einsatz- und Rettungskräfte ist trotz des Scheiterns eines entsprechenden Vorhabens auf Bundesebene weiterhin erstrebenswert. Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90 Die Grünen begrüßen, dass seitens des Innenministeriums Gespräche zur Einrichtung eines Rechtsschutzfonds geführt werden und bereits ein Titel dafür im Haushaltplanentwurf 2024 eingerichtet wurde. Der Austausch mit Kommunen, Feuerwehren und Hilfsorganisationen hierzu muss fortgesetzt werden, um die Zielgruppen und den Umfang eines solchen Fonds zu klären und dann ein entsprechendes Angebot zu eröffnen.

Für die niedersächsische Polizei existiert bereits eine dezentrale psychosoziale Beratung und Einsatznachbereitung. Jedoch besteht auch bei den Rettungskräften der Feuerwehr, der Rettungsdienste und des Katastrophenschutzes nach kritischen Einsätzen Beratungsbedarf. Diesem Bedarf wird derzeit durch kommunale Angebote entsprochen. Es ist zunächst auszuloten, in welchem Umfang Anpassungen und Ergänzungen erforderlich sind - insbesondere im Bereich der Aus- und Fortbildung - und dann ist ein entsprechendes Angebot auch für diese Einsatz- und Rettungskräfte zu prüfen.

Vor diesem Hintergrund bittet der Landtag die Landesregierung,

  • die Lagebilder zu Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte fortzuschreiben und den Dialog am Runden Tisch mit Vertreter*innen der Einsatz- und Rettungskräfte fortzuführen,
  • auf Grundlage der Lagebilder die Häufigkeit und Art der Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte mit dem internationalen Forschungsstand zu diesem Gewaltphänomen zu vergleichen und dafür die Auflegung von Forschungsprojekten in diesem Phänomenbereich zu prüfen,
  • die bereits eingeleiteten Maßnahmen zur Einführung eines eigenen Rechtsschutzfonds des Landes Niedersachsen für Einsatzkräfte fortzuführen und sich eng mit den Verbänden zum benötigten Umfang abzustimmen,
  • die dezentrale psychosoziale Beratung und die intensive Einsatznachbereitung bei der Polizei fortzusetzen und die Ausweitung eines entsprechenden Angebots auch für die Rettungskräfte bei Feuerwehr, Rettungsdiensten und Katastrophenschutz voranzutreiben,
  • in diesem Zusammenhang auch den Bedarf im Hinblick auf eine zentrale Aus- und Fortbildung für die Feuerwehren, Rettungsdienste und Katastrophenschutz zu ermitteln,
  • zu prüfen, ob und wie neben der Polizei auch die anderen Einsatz- und Rettungskräfte hinsichtlich des Umgangs mit Bedrohungsszenarien und des Erhalts von Handlungssicherheit in Bedrohungssituationen fortgebildet und trainiert werden können,
  • das Phänomen „Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte“ einer gesamtgesellschaftlichen Betrachtung zu unterziehen und ressortübergreifend mögliche Maßnahmen zu eruieren, die diesem Phänomen sinnvoll entgegenwirken.

Begründung

Um das Thema Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte auf Basis gesicherter Fakten beurteilen zu können, sind genaue Lagebilder erforderlich. Auf ihrer Grundlage kann der Dialog am Runden Tisch mit Vertreter*innen der Einsatz- und Rettungskräfte fortgeführt werden.

Zudem können auf dieser Grundlage Ausmaß und Art der Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte mit dem internationalen Forschungsstand verglichen werden. Denkbar sind auch eigene Forschungsprojekte in diesem Bereich.

Da ein Rechtsschutzfonds auf Bundesebene nicht in Sicht ist, hat sich das Land in den letzten Jahren bereits mit Überlegungen zu einem landeseigenen Rechtsschutzfonds beschäftigt. Für den Haushaltsplan 2024 wurde bereits ein Titel eingerichtet, die Gespräche mit den entsprechenden Verbänden und die Prüfung des Bedarfs und der Höhe eines Rechtsschutzfonds sollten fortgesetzt werden.

Bedrohungsszenarien wirken sehr stark auf die Psyche. Damit die Einsatz- und Rettungskräfte durch diese Wirkung nicht in ihrer Gesundheit und Arbeit beeinträchtigt werden, müssen sie den Umgang mit solchen Szenarien lernen. Sie müssen lernen, in solchen Situationen psychisch stabil zu bleiben. Deshalb ist zu prüfen, ob und wie es möglich ist, neben der Polizei auch die anderen Einsatz- und Rettungskräfte hinsichtlich des Umgangs mit Bedrohungsszenarien und des Erhalts von Handlungssicherheit in Bedrohungssituationen fortzubilden und zu trainieren.

Die dezentrale psychosoziale Beratung und die Einsatznachbereitung bei der Polizei haben sich bewährt. Angesichts der dargestellten Entwicklungen sollte nach diesem Modell auch für die Einsatz- und Rettungskräfte der Feuerwehr, der Rettungsdienste und des Katastrophenschutzes ein entsprechendes Angebot vorangetrieben werden. Hierzu haben die Kommunen zum Teil bereits eigene Vorkehrungen getroffen, teilweise mit der Unterstützung durch z.B. den Landesfeuerwehrverband oder die Feuerwehrunfallkasse.

In diesem Zusammenhang ist ein zentrales Fortbildungsangebot am Niedersächsischen Landesamt für Brand- und Katastrophenschutz sowohl für Feuerwehren, Rettungsdienste und Katastrophenschutz zu prüfen und ggf. im Bereich der Führungsausbildung zu etablieren.

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