Detlev Schulz-Hendel: Rede zu Machtmissbrauch und sexueller Belästigung in der Filmbranche Antrag SPD/GRÜNE)

Rede Detlev Schulz-Hendel© Plenar TV

Rede TOP 21: Machtmissbrauch und sexueller Belästigung in der Filmbranche entgegentreten (Antrag SPD/Grüne)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Präsidentin, liebe Kolleg*innen,

uns allen ist noch das Schlagwort ‚MeToo‘ in Erinnerung, unter dem Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt vor allem in der Film- und Medienbranche auf der ganzen Welt geteilt wurde. Doch auch über sieben Jahre danach hat sich die Lage immer noch nicht deutlich verbessert. Immer wieder gibt es Enthüllungen über Grenzverletzungen und Übergriffe in der Filmbranche. Bei einer Untersuchung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien haben 46 Prozent angegeben, in den letzten drei Jahren von sexueller Belästigung betroffen gewesen zu sein und ein Vergleich: Im Durchschnitt aller Branchen waren es 9 Prozent. Von 2800 bekannten Fällen sind 89 Prozent der Täter männlich und meist sind es Frauen, die von Übergriffen betroffen sind.

Ein Beispiel sind bekannt gewordene Anschuldigungen gegen den Schauspieler und Filmemacher Til Schweiger, ihm werden etwa Wutausbrüche, Schikane und körperliche Gewalt am Set vorgeworfen. Und seit Anfang des Jahres zeigt eine NDR Doku, dass nicht nur verbale Angriffe, sondern auch körperliche Übergriffe am Film-Set viel zu oft vorkommen.

Dieses Fehlverhalten wird meist über Jahre verschwiegen und systematisch gedeckt. Es herrscht ein System, dass die Täterinnen und Täter schützt – und nicht die Opfer. Das wollen wir mit unserem Entschließungsantrag im besten Falle umkehren.

Generell sind die Machtstrukturen entscheidend. Das trifft sicher nicht alleine auf den Kultur- und Medienbetrieb zu. Aber natürlich bergen eine große Machtfülle, fehlende Betriebsräte und Kontrollstrukturen, sowie eine eng getaktete Projektarbeit die Möglichkeit für Missbrauch. Hinzu kommt ein Selbstverständnis vieler Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, denn für viele ist es mehr ist als „nur ein Job“. Das sind meist hoch-engagierte Personen, die dann auch über ihre Grenzen gehen, um den Erfolg eines Projekts sicherzustellen.

Damit die Fälle nicht zunehmen, muss nicht nur die Öffentlichkeit für das Thema Machtmissbrauch sensibilisiert werden. Vielmehr muss in der Filmbranche selbst das Thematisieren von Gewalt, Übergriffen und Grenzüberschreitungen erleichtert werden.

Auf Bundesebene hat Staatsministerin Claudia Roth einen Verhaltenskodex als freiwillige Selbstverpflichtung angestoßen, dieser ist noch im Prozess. Auch der Deutsche Kulturrat hat nun ein Positionspapier für ein respektvollen Miteinander in der Branche vorgelegt, was ein wichtiger erster Schritt hin zu einem Struktur- und Kulturwandel ist.

Und auch die seit 2018 bundesweit bestehende Vertrauensstelle Themis ist dafür wichtig. Sie berät Menschen, die sexuelle Belästigung, Machtmissbrauch oder sexualisierte Gewalt in der Theater-, Film- und Musikbranche erlebt haben.

Aber: Wir brauchen das nicht nur auf Bundesebene, sondern auch hier vor Ort, in der niedersächsischen Filmförderung. Respektloses Verhalten, Sexismus, Machtmissbrauch – das sind keine Kavaliersdelikte.

Deswegen ist es wichtig, dass alle, die Verantwortung haben, diese auch übernehmen – wie etwa die Filmschaffenden und die Geldgeber*innen. Wir setzen uns deswegen für eine Art Vertragsbestandteil bei der Filmförderung ein: Eine Verhaltensrichtlinie, ein sogenannter Code of Conduct, in dessen Mittelpunkt ein respektvolles, diskriminierungsfreies, würdevolles Miteinander und Arbeitsklima stehen. Dieser muss bei der nordmedia angesiedelt sein. Auch Schutzkonzepte und Vertrauenspersonen am Film-Set sollten Kriterien für die Förderung durch das Land sein, genauso wie es eine unabhängige Anlauf- und Vertrauensstelle für Betroffene sexueller Übergriffe in der niedersächsischen Filmförderung braucht.

Aber ich möchte auch erwähnen, dass einige in der Filmbranche bereits eigene Richtlinien auf den Weg gebracht haben, um die Situation zu verbessern. Dieser positive Aspekt darf nicht verschwiegen werden und kann als Vorbild für die gesamte Branche dienen. Wir wollen einen echten Kulturwandel ermöglichen – hin zu sicherer, gewaltfreier Arbeit für alle. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss.

Vielen Dank.

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