Marie Kollenrott: Rede zum Gesetzentwurf zur Steigerung des Ausbaus von Windenergieanlagen und von Photovoltaikanlagen
Rede TOP 5: Entwurf eines Gesetzes zur Steigerung des Ausbaus der Windenergie an Land und von Freiflächen-Photovoltaikanlagen sowie zur Änderung raumordnungsrechtlicher Vorschriften
- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleg*innen, sehr geehrte Damen und Herren,
Sie kennen das ja. Politik ist oft herausfordernd, auch mal absurd – vor allem wenn es um die Klimakrise geht, frustrierend, manchmal desillusionierend, aber eins kann mir keiner, mir heute meine gute Laune nehmen. Denn heute liebe Kolleg*innen beschließen wir ein Gesetz was wirklich nach vorn geht. Das Niedersächsische Wind- und Beteiligungsgesetz.
Wir wissen, es gibt kein Problem mit dem wir uns beschäftigen, dessen Folgen so gravierend sind und dessen Lösungsansätze so divers sein müssen, wie die Klimakrise. Es erfordert eine grundlegende Veränderung unserer Produktions- und Lebensweise. Eine „sozial-ökologische Transformation“.
Und genau das ist die Grundlage für das politische Handeln dieser Regierung und wird dieses Haus noch Jahrzehnte beschäftigen.
Eines ist jedoch klar, und wird glücklicher Weise auch von keiner demokratischen Fraktion dieses Hauses bestritten: Elementarer Kern der Lösung ist ein durchaus drastischer und schneller Ausbau der Erneuerbaren Energien! Mit diesem Gesetz werden wir die Windenergiefläche Niedersachsens verdoppeln.
Die Frage, wie die Windenergie im Land verteilt werden soll allerdings, ist keine einfache. Als Grundlage dient eine Potenzialflächenstudie, die alle Räume mit einheitlichen Maßstäben bewertet hat. So wird sichergestellt, dass kein Kreis überfordert wird und die Ziele unter zumutbaren Bedingungen vor Ort erfüllt werden können.
Diese Lasten unserer gesellschaftlichen Entwicklung für Mensch und Natur mit zunehmenden Energiebedarf trägt aber niemand mit Jubelruf, daher ist meiner Meinung nach dieser erreichte Konsens allein schon eine Leistung unseres Umweltministers, die Anerkennung verdient!
Gleichwohl haben auch viele Kreise, wie die Region Hannover oder der Kreis Göttingen erklärt, freiwillig mehr Windfläche schaffen zu wollen. Das freut mich sowohl als Göttingerin, als auch als Fachpolitikerin besonders, denn es schafft einen Puffer den wir noch brauchen werden, zum Beispiel falls Planungen vor Gericht beanstandet werden.
Einen „Handelsplatz für Windflächenziele“ wie die CDU ihn in Ihrem Änderungsvorschlag vorgesehen hatte, wollen wir aber nicht einrichten. Ich glaube wir sollten keine misslichen Dynamiken anreizen, in der sich klamme Kommunen gezwungen sehen, zusätzliche Windflächen zu schaffen um sie an andere „zu verkaufen“.
Damit aber die gesetzten Ziele durch die regionalen Planungsträger schnellstmöglich in die Tat umgesetzt werden können, novellieren wir im Gesetzespaket auch das Raumordnungsgesetz, um die Aufstellungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen.
Selbstverständlich entstehen aber trotz einer sorgsamen Verteilung der Windenergie im Land Belastungen.
Wir sehen das und möchten die Menschen vor Ort beteiligen. Daher verabschieden wir heute – und das ist das Herzstück des Gesetzes - auch ein völlig neuartiges Beteiligungsgesetz.
Die Annahme aus Erfahrung ist dabei Folgende:
Wer an einer Windenergieanlage beteiligt ist und von der Wertschöpfung profitiert, stört sich weit weniger an den Belastungen und kann sich mehr darüber freuen, wenn sich die Rotoren drehen.
Deswegen führen wir mit dem Gesetz eine Pflichtbeteiligung von Kommunen und eine Beteiligungsmöglichkeit für Anwohnende ein. Diese gilt nicht nur für Windenergieanlagen, sondern auch für größere Freiflächen-Photovoltaikanlagen.
Je produzierter Megawattstunde landen im Rahmen der kommunalen Akzeptanzabgabe zukünftig mindestens zwei Euro in der Gemeindekasse, ein weiterer Euro soll den Anwohnenden direkt zugutekommen.
Beispiel: Bei einem Windpark mit vier modernen Windenergieanlagen kann eine Gemeinde durch die Akzeptanzabgabe mit Einnahmen in Höhe von jährlich 100.000 € Euro rechnen. Über eine Laufzeit von zwanzig Jahren kommt so einiges zusammen, mit dem vor Ort viel bewegt werden kann. Und da die Kommunen die zusätzlichen Einnahmen im Sinne der Akzeptanzsteigerung einsetzen sollen, wird hier der Gemeinwohlgedanke großgeschrieben.
Besonders schön ist, dass mich nun Bürgermeister*innen – auch von der CDU – anrufen, die sich auf dieses neue Gesetz freuen und die längst die Ausbaupläne aus den Schubladen ziehen. Denn durch den kommunalen Anreiz schaffen wir eine Aufbruchsstimmung, Erneuerbare werden nun vielerorts als Standortvorteil begrüßt und von Akteuren vor Ort vorangetrieben.
Meine Damen und Herren, das ist Energiewende „Bottom-Up“, eine Demokratisierung der Energiewende mit den Menschen.
Windenergie ist das Rückgrat der Energieversorgung in Niedersachsen. Sie ist so stark, dass die gesamte Stromversorgung dieses Landes bilanziell bereits vollständig Erneuerbar ist.
Darauf können wir stolz sein, sollten den Ausbau aber dennoch unbeirrt vorantreiben, denn auch die energetische Versorgung mit Wärme und Mobilität soll zukünftig durch Erneuerbare gedeckt werden.
Wir verstehen uns in diesen Bemühungen als Partner der Vorhabenträger. Daher haben wir in den letzten Monaten gemeinsam intensiv daran gearbeitet, dass das Beteiligungsgesetz weder ein Bürokratiemonster wird, noch erneuerbare Projekte finanziell abwürgt.
Wer mutig neue Wege beschreitet, muss aber damit rechnen, dass nicht alles im ersten Wurf reibungslos funktioniert. Wir haben uns darauf vorbereitet:
1. Das Gesetz beinhaltet Berichtspflichten die vom Aufwand für die Kommunen und Vorhabenträger zumutbar sind. Dem Land wird so ein Überblick über den Ausbaufortschritt ermöglicht. Das ist wegen der Berichtspflichten des Landes gegenüber dem Bund notwendig und lässt uns auch Problematiken rascher erkennen.
2. Das Ministerium wird mit Verordnungsermächtigungen ausgestattet. Bei erkannten Problemen kann so schneller eingegriffen werden.
3. Wir haben eine umfassende Evaluation vorgesehen, um bei Bedarf noch in dieser Legislatur das Gesetz zu novellieren.
Das Gesetz ist uns – wie ich finde - insgesamt gut gelungen. Darum hier auch die herzliche Einladung an die CDU zuzustimmen.
Und allem Akteuren, die an der intensiven Arbeit der vergangenen Monate beteiligt waren, gilt deshalb an dieser Stelle mein herzlicher Dank. Das war Teamwork!
Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetz werden erstmals Planungsregionen feste Zielwerte vorgegeben, erstmals wird finanzielle Beteiligung vor Ort garantiert. Dieses Gesetz bedeutet Aufbruch und frischen Wind für Energiewende und Klimaschutz in Niedersachsen.
Das ist eine win win - Windsituation.