Rede Anja Piel: Antrag (GRÜNE) zum Dokumentations- und Lernort am Bückeberg

- Es gilt das gesprochene Wort - 

Anrede,

fünf Jahre lang fand in den 1930er Jahren am Bückeberg bei Emmerthal das sogenannte Reichserntedankfest statt. Am 3. Oktober 1937 kamen bis zu 1,3 Millionen Menschen zu diesem Spektakel zwischen Folklore, Militärparade und Führerkult.

Die Veranstaltung im Jahr 1938 wurde dann kurzfristig abgesagt – Warum? Mitnichten, weil niemand mehr Interesse an der Veranstaltung hatte. Sondern weil etwas Anderes in den Vordergrund gerückt war:

Das Deutsche Reich war soweit. Die Propaganda hatte gewirkt.

Jüdinnen und Juden, Homosexuelle, linke Politikerinnen und Politiker, behinderte Menschen, Sinti und Roma und viele andere wurden schon längst verfolgt.

Nun gingen die Eroberungen los. Die Wehrmacht wurde gebraucht, um die Tschechoslowakei zu besetzen.

Anrede,

der Bückeberg ist kein Konzentrationslager, kein Ort des Holocaust und kein Tatort der Shoa, kein Ort, an dem Menschen massenweise erniedrigt, gequält, getötet und verbrannt wurden.

In dem Fall wäre es keine Frage gewesen, Einigkeit darüber zu erlangen, dass ein solcher Ort ein Ort des Gedenkens ist.

Nein. Der Bückeberg ist ein Ort der Aufstachlung, ein Ort der Demonstration von Macht. Ein Ort der Propaganda und der Massenhysterie. Er steht selbst nicht für die 6 Millionen in KZs getöteten Juden, nicht für Euthanasie-Verbrechen oder einen Krieg, der über 20 Millionen Menschen das Leben gekostet hat. Aber er ist ein Ort, der daran erinnert, wie subtil, unauffällig und schleichend diese menschliche Katastrophe angefangen hat!

Gewalt, Mord, Krieg und Ausgrenzung beginnen als Idee, als Haltung, lange, bevor der erste Mensch misshandelt oder ermordet wird.

Die Reichserntedankfeste waren kleine Schritte von vielen, die noch folgen würden. Schritte hin zur blanken und entfesselten Gewalt.

Der Bückeberg ist heute ein Ort, der uns daran erinnert, auf unsere Schritte zu achten. Schritte, die wieder zu Gewalt führen können, wenn wir nicht drauf Acht geben. Darum ist dieser Gedenkort so wichtig.

Anrede,

ich weiß, dass der Gedenkort Bückeberg vor Ort nicht unumstritten ist. Lassen Sie mich hierzu zwei Dinge sagen.

Erstens: Es geht hier nicht darum, jemanden zu verurteilen. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte ist schmerzhaft, ja. Aber sie gibt uns etwas für die Zukunft auf. Ich wünsche mir, dass die Skeptiker vor Ort, die vielleicht fürchten, eigene Verwandte auf Schautafeln zu finden, sich darüber klar sind: Während des Nationalsozialismus haben die allermeisten Menschen in Deutschland moralisch, nein, menschlich versagt. Sehr wenige sind dagegen aufgestanden. Wir alle müssen uns damit befassen, weil es uns alle betrifft.

Und zweitens: So gut ich verstehe, dass Einzelnen in der Region nicht wohl ist mit der Aufmerksamkeit, die ihr Ort gerade erfährt – ein Gedenkort Bückeberg hat nichts zu tun mit Regionalgeschichte. Er ist ein Stück deutscher, ein Stück niedersächsischer und erst dann ein Stück Emmerthaler Geschichte. Und darum halte ich auch eine Bürgerbefragung vor Ort für das falsche Mittel. Die Bedeutung solcher Orte wird weit über die Landesgrenzen hinaus wahrgenommen.

Anrede,

wofür ich aber überhaupt kein Verständnis habe, ist das Rumgeeiere der CDU.

Die CDU im Kreistag hat sich immerhin eindeutig positioniert und gemeinsam mit der AfD gegen das Projekt gestimmt. Frau Otte-Kinast hingegen hat es schlicht vermieden, Stellung zu beziehen.

Frau Otte-Kinast,

als Kreistagsabgeordnete können Sie das machen. Als Kreistagsabgeordnete müssen Sie nicht zu allem eine Meinung haben. Aber Sie sind auch Ministerin und als solche tragen Sie Verantwortung für alle Niedersachsen und müssen Ihren Rücken gerademachen und eine Haltung zeigen.

Sie sind als Landwirtschaftsministerin gleich zweifach zuständig. Die Flächen, um die es geht, gehören dem Land und werden vom Landwirtschaftsministerium verwaltet. Und auch, wenn das Wort „Erntedank“ von den Nazis missbraucht wurde – wie so ziemlich alles, was sie zwischen die Finger bekamen: Es geht hier auch um die Rolle und die Bedeutung der Landwirtschaft während des Nationalsozialismus.

Beweisen Sie also Haltung. Dieses Projekt braucht die Unterstützung der Landesregierung, denn ihr gehören die Flächen, und sie muss die Finanzierung gemeinsam mit dem Bund tragen.

Anrede,

ich bitte um Ihre Zustimmung zu diesem Antrag. Nicht unseretwegen – wir geben im Prinzip nur weiter, was uns der Kreistag in Hameln aufgegeben hat. Sondern um des Gedenkens willen, des Gedenkens daran, wie Gewalt an Menschen vorbereitet wird.

Vielen Dank.

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