Rede Gabriele Heinen-Kljajic: Zweite Beratung Haushalt 2005: Wissenschaft und Kultur
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Anrede,
wie schon im Vorjahr wird auch beim Haushalt 2005 mit den Kürzungen im Bereich Wissenschaft und Kultur ein tiefer Eingriff in die soziale und kulturelle Infrastruktur Niedersachsens vorgenommen.
Besonders hart ist die freie Kultur betroffen. Auch wenn die Kürzungen statt 8 Mio. Euro nun 4,3 Mio. Euro betragen: in der Konsequenz wird an vielen Stellen eine Infrastruktur zerschlagen werden, die einen wichtigen Grundpfeiler unserer kulturellen Grundversorgung ausmacht.
Anrede,
ob es die freien Museen sind, ob Kunstvereine, Literaturbüros, Musik- und Kunstschulen, Chöre oder die kulturelle Jugendbildung, freie Theater oder soziokulturelle Einrichtungen: sie alle sind Teil des öffentlichen kulturellen Angebots. Sie alle erledigen eine Arbeit, die wenn es die Freien nicht gäbe, vom Staat erbracht werden müsste und das zu wesentlich höheren Kosten.
Wer das verneint, meine Damen und Herren, der verneint, dass all die hier genannten Einrichtungen eine wichtige Quelle von Zugangschancen sind, weil sie flächendeckend für alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes zugänglich sind, unabhängig von Wohnort, sozialer Herkunft oder Alter.
Aber statt eine Arbeit zu würdigen, die sich durch einen enorm hohen Anteil bürgerschaftlichen Engagements auszeichnet und unter besonders effizientem Mitteleinsatz arbeitet, kündigen Sie meine Damen und Herren der Mehrheitsfraktionen eine Partnerschaft, die es erst ermöglicht, die Chance zur Teilhabe an Kunst und Kultur für alle Menschen offen zu halten.
Und, wie schon im letzten Jahr bei den Kürzungen im Hochschulbereich, wird auch hier vollkommen konzeptionslos, unter Heranziehung falscher Behauptungen, wider besseres Wissen und wider die eigenen Grundsätze der Rotstift angesetzt.
Ich will Ihnen einige Beispiele geben:
Noch im Mai letzten Jahres haben Sie; Herr Minister Stratmann darauf hingewiesen, dass im Bereich der freien Kultur mögliche Einsparpotentiale in keinem Verhältnis stehen zu den Schäden, die diese Kürzungen bei der Grundversorgung vor Ort anrichten würden. Vor dem Hintergrund Ihrer Haushaltspolitik löst sich diese Ansage in Schall und Rauch auf.
Im Koalitionsvertrag wird die Stärkung des ländlichen Raums als prioritär eingestuft. Kulturelle Grundversorgung im ländlichen Raum findet aber ausschließlich über freie, nicht staatliche Einrichtungen statt. Also auch hier werfen Sie Prinzipien schnell über Bord, wenn es gilt, Einsparpotentiale aufzutun.
Wo immer es sich anbietet singen Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, das Hohelied auf das Ehrenamt. Doch in der Kultur zerschlagen Sie genau die Strukturen, die wir eigentlich gerade wegen der Haushaltslage öffentlicher Kassen ausbauen müssten, statt sie zu schwächen.
Das Hinwegsetzen über Logik und Verstand gipfelte schließlich in Ihrer Behauptung, Herr Minister Stratmann, ein Großteil der Mittel für die Freien fließe in Bürokratie und Lobbyarbeit der Verbände. Diese Behauptung ist durch nichts zu belegen. Und wenn Sie schon das Kriterium "ein Minimum an Bürokratie" als Meßlatte anlegen, warum dann die überproportionalen Kürzungen bei der Soziokultur? Mit einem Verwaltungskostenanteil von nur 9 % ist die Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur bundesweites Vorzeigemodell in Sachen effektiver Mitteleinsatz.
Was immer Sie Herr Minister Stratmann in Sachen Umstrukturierung der Kulturförderung vorhaben, eine Beendigung des Beleihungsvertrages mit der LAGS wäre die unwirtschaftlichste Entscheidung, die man nur treffen kann. Wir können es uns im wahrsten Sinne des Wortes nicht leisten, auf eine mit Bestnoten evaluierte Förderpraxis zu verzichten.
Anrede,
aber die Kultur ist nicht der einzige Bereich, der unter ihrer Kürzungspolitik leidet. Denn meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, die vermeintliche Schonung des Hochschuletats ist eine Mär. Es ist offenbar notwendig, dass ich Sie einmal daran erinnere, dass Sie die Kürzungen für 2005 bereits im letzten Jahr mit "erledigt" haben:
Die zweite Stufe des sogenannten Hochschuloptimierungskonzeptes mit weiteren 10 Mio. Euro Kürzungen bei den Hochschulen greift 2005. Aber es ist vor allem das Ausbleiben des zugesagten Zukunftsvertrages, das Schlimmes befürchten lässt. Denn de facto heißt das meine Damen und Herren, dass der Finanzminister jederzeit Zugriff auf die Hochschuletats hat. Herr Minister Stratmann, Sie haben den Hochschulen einen solchen Zukunftsvertrag, der sie zumindest für ein paar Jahre vor weiteren Kürzungen schützen sollte, zugesagt und sie sind wortbrüchig geworden.
Anrede
Stattdessen lassen Sie zu, dass sich die Bedingungen an niedersächsischen Hochschulen auch in 2005 weiter verschlechtern werden.
- das Überlastproblem wird sich weiter zuspitzen, denn das HOK ist nichts anderes als ein Studienplatzabbauprogramm.
- trotz zu langer Studiendauer und hoher Abbrecherquote wird sich die Betreuungsquote 2005 weiter verschlechtern
- den Hochschulen werden außerdem zusätzliche Aufgaben aufgebürdet.
- denn die Umstellung auf Bachelor und Master erfordert einen hohen Kosten- und Personalaufwand,
- und die Reform der Hochschulzulassung wird enorme Mehrkosten verursachen.
Anrede,
während diese Landesregierung der ohnehin schon kränkelnden Hochschullandschaft also fleißig weitere Wunden schlägt und damit die Studienbedingungen für Studierende weiter verschlechtert, sollen diese für die Teilnahme an einem maroden System auch noch ordentlich zur Kasse gebeten werden.
Nichts verfolgen die Mehrheitsfraktionen und die Landesregierung ihn Sachen Hochschulpolitik emsiger als die Forderung nach Gebühren, wo immer sich eine Gelegenheit auftut.
Anrede,
die Heraufsetzung des Verwaltungskostenbeitrags der Studierenden auf 75 Euro nimmt sich da noch harmlos aus. Die Erhebung von Gebühren für Zulassungsverfahren wird bereits kräftiger zu Buche schlagen. Sie ist darüber hinaus kontraproduktiv, weil die Hürden zur Aufnahme eines Studiums gesenkt und nicht erhöht werden müssen. Die Erhebung von Studiengebühren ist angesichts der Kürzungen im Hochschulbereich allerdings wirklich ein Affront.
Anrede,
solange diese Landesregierung den staatlichen Anteil an der Hochschulfinanzierung kontinuierlich zurückfährt, solange kann sie nicht erwarten, dass die Steigerung des privaten Anteils an den Kosten bei den Betroffenen auf Verständnis stoßen wird.
Wenn Sie nicht einmal Ihr Versprechen eines Zukunftsvertrags für die Hochschulen bis 2007 einhalten können, Herr Minister Stratmann, wie wollen Sie dann sicherstellen, dass die Studiengebühren nicht zum Stopfen von Haushaltslöchern mißbraucht werden?
Es tut mir Leid, Herr Minister, aber Ihre Beteuerungen, Studiengebühren werde es nur geben, wenn sie auch wirklich den Hochschulen zugute kommen, sind angesichts der gemachten Erfahrungen absolut unglaubwürdig.
Anrede,
wir üben auch formale Kritik an den Hochschulhaushalten. Die Haushaltsberatungen für 2005 haben zum wiederholten Male gezeigt, dass der Übergang von der kameralistischen zur kaufmännischen Haushaltsführung nicht gelungen ist. Das Hochschulkapitel ist intransparent und lässt kaum Rückschlüsse auf die tatsächliche wirtschaftliche Situation der einzelnen Hochschule zu, weil Eröffnungs- und Abschlussbilanzen fehlen. Zielvereinbarungen, die die Grundlage für die Zuführungen an die Hochschulen sein sollen, liegen ebenfalls nicht zeitgerecht vor. Damit fehlt dem Parlament eine weitere wichtige Beratungsgrundlage. Die Abstellung dieser irregulären Zustände ist Aufgabe der Landesregierung und ich sehe Sie in der Pflicht, sicherzustellen, dass die Beratung des Hochschulkapitels 2006 unter legalen Bedingungen stattfindet.
Anrede,
bleibt noch der Bereich Erwachsenenbildung.
Wir haben der Novelle des Erwachsenenbildungsgesetzes trotz einiger Unzulänglichkeiten zugestimmt, weil wir den betroffenen Einrichtungen fraktionsübergreifende Verlässlichkeit und Planungssicherheit signalisieren wollten. Dies wird sich in Zukunft aber vor allem in den Haushaltsberatungen beweisen müssen. Und hier ist Misstrauen angebracht.
Anrede,
alles deutet darauf, dass sich bei den Kürzungen im Einzelplan 06 ein Rotationsprinzip durchsetzt: ein Jahr Kürzungsschwerpunkt Hochschulen, ein Jahr Kürzungsschwerpunkt Kultur und dann im dritten Jahr Kürzungsschwerpunkt Erwachsenenbildung. Ich denke, dass ich als Grüne sagen darf: Das ist Rotation im schlechtesten Sinne, meine Damen und Herren
Denn auch bei der Erwachsenenbildung ist das Ende der Fahnenstange längst erreicht. Die Fehler die Sie bei Hochschulen und Kultur gemacht hat, werden hoffentlich nicht wiederholt. Meine Bitte, Herr Minister Stratmann, agieren Sie im nächsten Jahr nicht so durchschaubar, wie es zu befürchten steht.
Denn, meine Damen und Herren, ob Kulturpolitik oder Hochschulpolitik, sie orientieren sich ausschließlich am Einspardiktat des Finanzministers. Eine problemgerechte, auf die Anforderungen der Zukunft ausgerichtete Politik: Fehlanzeige. Stattdessen werden mittel- und langfristige Zukunftsinvestitionen kurzfristigen Einsparungen geopfert. Obwohl Sie meine Damen und Herren von CDU und FDP hier in den Haushaltsdebatten nicht oft genug betonen können, dass wir eine Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen haben, kommen langfristige Folgekosten von Einsparungen in ihrem Kalkül nicht vor.
Erkennen Sie endlich an, dass Ausgaben im Bereich Wissenschaft und Kultur Zukunftsinvestitionen sind und hören Sie auf, am falschen Ende zu sparen. Wir zeigen Ihnen mit unseren Haushaltsanträgen, wie man das macht.